Seit der Erfindung von Computern wollen Softwareanbieter geschäftskritische Abläufe verbessern, optimieren und effizienter gestalten. Traditionell arbeiteten Unternehmen entlang linearer Wertschöpfungsketten. Die Kette vom Produzenten zum Endkunden erfolgt Schritt für Schritt, beginnend mit dem Produktdesign, gefolgt von der Herstellung und dem Vertrieb über Kanäle wie Grosshändler, Einzelhändler, Lizenznehmer oder Agenten bis hin zum Endkunden. Das Problem bei solchen linearen Geschäftsmodellen ist, dass es Intermediäre und Gatekeeper gibt. Sie kontrollieren den Kanal zum Endkunden, was die Märkte ineffizient und die Produkte und Dienstleistungen teurer macht. Intermediäre treffen eine Vorauswahl an Produkten und Dienstleistungen für ihre Kunden. Oder sie bestimmen die Art der Präsentation und des Verkaufs der Produkte in Geschäften oder auf Marktplätzen. Im schlimmsten Fall schotten sie ihre Kanäle und Märkte für kosteneffiziente, aber margenschwache Produkte ab und verhindern Innovation für den Verbraucher.
Von Pipelines zu Plattformen
In den letzten Jahren sind immer mehr neue Unternehmen auf den Markt gekommen, welche nach einem alternativen Geschäftsmodell zur linearen Wertschöpfungsketten arbeiten: Die Plattformen. Plattformen verbinden verschiedene Marktteilnehmer - Hersteller, Dienstleister, Lieferanten, Händler und Verbraucher - miteinander, ermöglichen den Austausch von Waren, Dienstleistungen oder Rechten direkt zwischen den Marktteilnehmern. Sie orchestrieren die nahtlose und qualitative Wertschöpfung für den Endkunden. Plattformen erlauben auch Dritten wie Zahlungsdienstleistern, Logistikunternehmen oder Versicherungen, direkt an den Plattformen teilzunehmen und die Wertschöpfung zu unterstützen.
Uber, Airbnb, Alibaba, Amazon und viele mehr sind allesamt plattformbasierte Geschäftsmodelle. Sie verbinden Anbieter und Konsumenten, bieten ein superbequemes Nutzererlebnis und gewährleisten eine mehr oder weniger gleichbleibende Servicequalität. Sie eliminieren Intermediäre, was zu mehr Markteffizienz führt. Kurz gesagt, Plattformen übertreffen die linearen Wertschöpfungsketten und sind deshalb so erfolgreich.
Plattformen werden leider immer mehr zu dem, was sie eigentlich eliminieren wollten - zu Intermediären.
Plattformen haben jedoch einen entscheidenden Nachteil: Was als Lösung für mehr Markteffizienz durch das Ausschalten von Intermediären begann, wird selbst zum neuen Intermediär. Einige der erfolgreichsten Plattformen zeigen bereits heute monopolistisches Verhalten. Amazon zum Beispiel betreibt eine Plattform für Dritthändler. Deren Anteil am Umsatz von Amazon ist von 3 % im Jahr 1999 auf 58 % (oder 160 Mrd. USD) im Jahr 2018 gestiegen. Dies beweist, dass Amazons Plattform ein effizienter und bequemer Kanal für etwa 2 Millionen kleine und mittlere Händler ist. Im Jahr 2019 haben verschiedene europäische Wettbewerbsrechtskommissionen, darunter Deutschland, Österreich, Italien und die EU-Kommission selbst, Untersuchungen gegen Amazon eröffnet. Die EU-Kommission wirft Amazon vor, die Umsätze und Aktivitäten dieser Dritthändler analysiert und die Erkenntnisse das Pushen des eigenen Handelsgeschäfts genutzt zu haben.
Von Plattformen zu Netzwerken
Eine Antwort auf das Dilemma der marktbeherrschenden Plattformen ist, die Anbieter zu zwingen, sich in zwei unabhängig Geschäftseinheiten zu teilen: Eine für den operativen Betrieb der Plattform und eine für das Handelsgeschäft. Eine andere Lösung ist, das Plattform-Geschäftsmodell in ein Netzwerkmodell mit einer Multi-Party-Governance umzuwandeln.
Hier kommen Blockchain und Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ins Spiel. Wie Plattformen ermöglichen Blockchains und DLT den Marktteilnehmern, direkt zu interagieren und digitalisierte Informationen, Waren, Dienstleistungen, Vermögenswerte und Rechte zu übertragen - mit drei wesentlichen Unterschieden. Erstens werden dezentrale Netzwerke von den teilnehmenden Mitgliedern selbst betrieben. Dezentral installierte Programme und Datenbanken werden zu einem Netzwerk verbunden, während bei einer Plattform alle Mitglieder an einer Datenbank des Plattformanbieters teilnehmen müssen.
"Trustless blockchains" gibt es nicht. Netzwerke bauen immer auf Vertrauen und Governance auf.
Zweitens werden Transaktionen im Netzwerk durch einen mathematischen Algorithmus auf ihre Korrektheit, Endgültigkeit und Unwiderruflichkeit validiert, der von mehreren unabhängigen und vertrauenswürdigen Validatoren (sog. Notaries) betrieben wird. Auf einer Plattform werden Transaktionen exklusiv und zentral durch den Plattformprovider validiert. Und drittens, da viele Parteien gemeinsam das Netzwerk technisch betreiben, ist auch die Governance des Netzwerks eine gemeinsame Aufgabe der Teilnehmer. Standardisierung und rechtliche Rahmenbedingungen werden gemeinsam vereinbart und verabschiedet, während auf einer Plattform die gesamte Macht beim Anbieter liegt.
Blockchain als Garant für Markteffizienz
Diese gemeinsame Verantwortung für das Netzwerk ist der wichtigste Garant für die Markteffizienz im Netzwerk. Alle Teilnehmer haben ein grosses Interesse daran, das Netzwerk zu einem effizienten, zuverlässigen und stabilen Marktplatz zu machen. Sie werden Standards und gemeinsame Geschäftsregeln für die Interaktion im Netzwerk definieren. Und da auch ihre Konkurrenten am Netzwerk teilnehmen, werden die Regeln für alle Parteien gut austariert sein. Kein Teilnehmer am Markt soll einen unfairen Vorteil wie schnellere Marktinformationen, bevorzugte Product Listings oder niedrigere Qualitätsstandards ziehen können. Die Teilnehmer werden sich im Gleichgewicht halten und sicherstellen, dass die Informationsflüsse transparent zwischen Käufer und Verkäufer laufen. Beides sind Hauptmerkmale für effiziente Märkte.
Je marktbeherrschender die Plattformanbieter werden, desto mehr sollten die Marktteilnehmer die Situation überprüfen und evaluieren, ob ein Blockchain- oder DLT-Geschäftsmodell nicht zu besseren Marktmechanismen führt. Solche Geschäftsmodelle können sie strategisch vor neuen Intermediären und Gatekeepern schützen. Natürlich bedeutet dies Investitionen in die Definition gemeinsamer technischer Standards, allgemeingültige Geschäftsabläufe sowie ein rechtliches Rahmenwerk. Und alle Parteien, oder zumindest eine führende Gruppe von Marktteilnehmern, müssten sich auf gemeinsame Algorithmen einigen, um alle Transaktionen von Produkten, Dienstleistungen, Rechten und Vermögenswerten im Netzwerk zu validieren. Der Aufwand würde sich aber lohnen, denn so bleiben die Märkte auf lange Sicht nachhaltig effizient und effektiv.